Erfahrungen mit einem Reisepartner
...da macht man eine nette Urlaubsbekanntschaft in Italien, versteht sich gut, hat die gleichen Motorräder, und die gleichen Interessen, an Bergtouren und Pässe Fahrten, der großartigen Natur, und einfach das Erlebnis, es so machen zu können wie es einem passt. Es waren schöne Tage mit W.
So wie man sich getroffen hat, geht man nach ein paar gemeinsamen Tagen wieder seine eigene Wege, verabschiedet sich, vielleicht, sich wieder ein anderes Mal zu treffen.
Da geht der Sommer vorbei, der Herbst, und du fängst schon an, deine nächste große Sommertour zu planen. Diesmal soll es ganz weit nach Norden gehen: Die Finnmark in Norwegen mit dem Motorrad. Vardo, Hamninberg, Berlevag, Batsfjord, Gamvik, Honningsvag um nur einige zu nennen. Das wollte ich noch einmal mit dem Motorrad schaffen.
Wollte die Tour schon 2005 fahren, konnte die Ziele aber nicht erreichen, weil ich das falsche Motorrad hatte, und dazu noch einen Unfallschaden. Leider bekam ich auch etwas ab, und war dadurch auch etwas angeschlagen, so das ich sehen musste, wieder nach Hause zu kommen. Da war es eindeutig: Ganz alleine zu fahren, birgt wirklich ein Risiko.
Während deiner Tourplanung im Winter dann, fallen die alten Geschichten wieder ein, und denkst, soll ich das Risiko wieder alleine zu fahren eingehen, oder mich einer Reisegruppe anschließen, oder eben mit Reisepartner unterwegs zu sein. Meine Erfahrungen hatten sich bisher immer nur auf kurzen Touren beschränkt, aber da habe ich immer schon bemerkt, das es zu Spannungen kommt, wenn man länger mit „Fremden“ (Freunden) unterwegs ist. Die Gründe dafür sind eher banal. Dem Einen tut der Arsch schon weh nach einer Stunde, der Andere hat sich noch nicht einmal eingesessen. So geht es dann weiter: „Will Mittagessen, will Rauchen, will Pause, will fotografieren, will sonnen, nicht auf der Flucht“ usw. Jeder kennt das.
Aber, da ich ja auch nicht mehr der Jüngste bin, habe ich mir dann gesagt, dann wird einmal der Versuch mit einem Reisepartner gemacht. So kann man sich helfen, sollte einmal was passieren, da braucht nur mal die Fuhre um zufallen.
Da sagt dann meine Frau, du hast dich doch so gut mit W. verstanden, rufe doch den mal an, und frage ihn, was er davon hält, mit dir nach Norwegen zu fahren. So kam es dann auch, das wir nach einigen Treffen und Gesprächen zur Tour beschlossen haben, gemeinsam zu fahren.
Anfang Juli ging es dann los. Über Dänemark von Fredrikshaven nach Göteborg Schweden. Immer entlang der Norwegisch-Schwedischen Grenze bis Galliväre, und dann an der Finnischen-Norwegischen Grenze auf der finnischen Seite nach Vardo. Ich hatte auf dieser Strecke einige Wanderungen in den Nationalparks geplant. Auf so einer langen Reise, (es waren eigentlich 6 Wochen geplant), muss man auch seine Beine benutzen, sonst würde die ganze Gehmotorik verloren sein. Ich hatte mir auch vorgestellt, alle 5-6 Tage einen Ruhetag einzulegen, um Tagebücher zu schreiben, zu lesen, oder einfach seine Ausrüstung pflegen. Muss ja mal sein.
Aber da war ja auch noch mein Reisepartner. Ankunft in Göteborg 23.30 Uhr. Haben auf Anhieb dort kein Hotel gefunden, also sind wir in Richtung Norden gefahren. Gegen 2.00 Uhr in der Früh haben wir dann ein Hotel gefunden, deren Rezeption noch besetzt war. Glücksgefühle kamen bei mir hoch, bei dem Gedanken heiß zu duschen, es war nämlich ganz schön frisch in der Nacht, und in einem warmen Bett zu schlafen.
Da kam dann das erste Mal der Moment, wo ich am liebsten im Boden vor Scham gesunken wäre. Als die junge Frau uns den Preis des Zimmers nannte, meinte W. allen Ernstes, für eine halbe Nacht müsste er nur die Hälfte bezahlen, und fängt an zu feilschen, wie auf einem türkischen Basar. Sie meinte dann nur genervt, er könne ja bis um 11.00 Uhr im Bett bleiben.
Was ich bis dahin noch nicht wusste, das W. sein ganzes Leben darauf hin orientierte, immer etwas am billigsten zu bekommen, und dafür jede Menge an Zeit vergeudete, die in keiner Relation dazu standen. Hauptsache billig.
Ich hatte aufwendig die Reise mit Mape Source geplant, (war eigentlich gar nicht nötig, mache auch nicht mehr), die zu den Sehenswürdigkeiten führten, die ich vorher recherchiert habe. W. meinte, die Streckenführung ist nicht optimal, und die „Schlenker“ müsste man Begradigen. Ich sagte, das ist halt so in einem Land mit Gebirge, Seen und Flüssen und Fjorden, da sind halt die Straßen an der Landschaft angepasst, und, außerdem, ist ja schließlich Urlaub, und haben viel Zeit. So fing W. an, meine Tour zu verändern und zu „optimieren“ als wir noch in Schweden waren. Es gab den ersten Stress und Meinungsverschiedenheiten. Gut, in diesen Tagen war das Wetter so schlecht, das ich für lange Wanderungen auch nicht besondere Lust entwickelte. So sind wir dann halt ohne Schlenker der Kompassnadel nach Richtung Norden gefahren.
Je weiter wir dann in den Norden kamen, um so weniger konnte W. optimieren, und auch das Wetter wurde richtig schön. Schwitzte schon in den Klamotten.
Aber woher kam plötzlich die Unruhe von W. her? Es stellte sich bald heraus. W. hatte einen neuen Zumo von Garmin, den er so programmiert hat, das er eine Meldung abgibt, nach 400 Km zu tanken. Auf meinem Bord Computer, (das gibt es bei Mopeds auch schon), war zu dem Zeitpunkt noch eine Restreichweite von 300 Km angezeigt. Da fährt man noch lange. Aber was macht W.? Er schwärmt spiralförmig aus, um nach einer Tanke zu suchen, nur weil das scheiß Navi es anzeigt, und nicht seiner Tankuhr vertraut. Es hat sich auch herausgestellt, das er das Navi gar nicht bedienen konnte, weil er sich nicht damit beschäftigt hatte.
Ich bin meistens voraus gefahren mit der Karte im Tankrucksack, so hatte sich auch das erledigt. So ist es dann wieder schön, auf dem Bock zu hocken, zu fahren, zu sehen und seinen Gedanken nach zuhängen, und die grandiose Landschaft zu betrachten. Man muss schon aufpassen, vor lauter „Glotzen“ ist man schnell im Graben. Das ist der Unterschied zum Auto, das einem schnell einen Fahrfehler verzeiht, durch lauter elektronischen Schnickschnack am Fahrwerk.
Irgendwann kamen wir dann in Vardö an. Das ist ein kleiner Ort auf einer Insel, auf die man nur durch einen Tunnel unter dem Meer kommt. Auf dieser Insel haben die Amis eine Radarstation betrieben, die Russen sind nicht weit. Kalt war es, und wir sind nach einigen hin und her, in eines der zwei Lokale gegangen, das so in amerikanischem Stil eingerichtet ist. Uns wurde auch schnell klar, warum. Die Ehefrau eines amerikanischen Soldaten ist nach Aufgabe der Station auf der Insel geblieben. Sie wollte von der Hektik in den Staaten nichts mehr wissen, und ist geblieben. Im Angebot waren norwegische Hamburger, (die besten, die je gegessen habe), und Rentiersteaks, was wir beide mit Genuss und viel Bier genossen haben. Es waren noch einige Gäste aus Frankreich und Italien anwesend, und es wurde eine rege Unterhaltung. Die Wirtin, ein Vollbusen Wunder, brachte jede Menge zu trinken, und irgendwann ist jeder auf sein Zimmer, um sich auszuschlafen.
Auf dem Kater folgte die Rechnung, die W. Erstarren ließ. Ein Glas Bier kostete ca. 6 €uro, und wenn man dann so 10-15 Gläschen trinkt, kommt schon was zusammen. Jeder weiß das, nur mein Freund W. Konnte sich damit nicht abfinden. Peinliche Diskussionen wegen dem Alkoholpreis.
Seit diesem Tag bin ich dann alleine weiter gefahren, es war mir einfach zu viel geworden mit dieser Reisebegleitung. Die Trennung war die reinste Erholung für mich. Ich brauchte nur noch für mich alleine entscheiden und keine Absprachen mehr zu halten. W hat dann umgedreht und ist nach Hause gefahren, er sorge sich schon seit Tagen um seine Frau, um eine Begründung ab zu geben. So bin ich dann alleine durch die Finmark. Wie es dann kommen musste, die übelste Straße mit Vollbettschotter, kurz vor dem asphaltieren, dazu noch noch Nebel mit einer Sichtweite von 20-30 Metern, der auch noch verhinderte ordentlich Gas zu geben, um die Fuhre stabil zu halten. Nach 80 Km endlich Mehamn. Gleich in dem einzigen Hotel ein gemietet und in die Sauna. Ich wollte mir diese Strecke nicht mehr antun, und habe dann eine Passage auf der Hurtigruten nach Honningsvag gebucht. Check in 23.30 Uhr. Ankunft Honningsvag 06.00 in der Früh. Die Fahrt hatte so eher den Charakter Langeweile. In den Häfen sind verschlafene Touristen aus den Kabinen gekommen, um zu fotografieren, und haben sich gleich wieder geschlichen. Endlich check out und wieder auf dem Bock Richtung Nordkap. So leer habe ich die Gegend noch nicht erlebt. Keine Touristenbusse und Wohnmobile. Eine Erfahrung habe ich dann doch noch gemacht. Wenn man vor 09.00 Uhr ankommt, kostet es keinen Eintritt, und spart sich jede Menge Geld. Dafür ist aber auch das Touristencenter noch zu, aber das ist eh nicht so wichtig.
Nach diesem Reiseabschnitt geht die Fahrt nur noch Richtung Süden. Es wurde auch immer wärmer, und auf den Lofoten konnte ich mich ausziehen und in die Sonne legen auf einer schönen Bank, die zu einem Rastplatz gehörte. Ein Rollstuhlfahrer bot mir einen Kaffee an, ich sah ihm an, das er einiges gewohnt war, und auch blöde Witze ertragen kann, worauf ich Ihm fragte, wie viel Reifen er bis hierher gebraucht hätte. Auf dem Kaffee folgte das Bier, dann Wein und ein bisschen Schnaps, und so entstand eine Angeregte Unterhaltung. Er sei früher auch mit dem Motorrad unterwegs gewesen, aber durch einen Unfall im Rollstuhl gelandet. Ich wollte nicht näher darauf eingehen. Jetzt macht er seine Reisen in einem umgebauten Wohnmobil, wo er über eine Rampe hineinfahren kann. Ich sah ihn noch einmal in Moskenes, wo die Fähre nach Bodö geht.
Ich bin immer noch nördlich vom Polarkreis, und der Weg ist nach Hause. Jetzt bekomme ich wieder dieses Gefühl, wie weit ich eigentlich weg bin, besonders dann, wenn ich die üblichen Touristenwege verlasse. Da kommt schon so ein Gefühl von Einsamkeit in einem hoch. Muss an W. Denken. Später hat er mir erzählt, er wäre 3 Tage und Nächte fast durchgefahren, hat kaum gegessen, und ist danach 3 Tage nicht mehr aufgestanden.
Habe dann Walter auf seiner alten GS getroffen, als er gerade dabei war, eine Salami mit einem Kanten Brot zu vertilgen. Wir sassen in einem Windschatten von einem Felsen, und ich spendierte noch einen Obstler dazu. Der darf in Skandinavien nie ausgehen. So sind wir ein paar Tage miteinander Richtung Süden gefahren. ich habe Ihm von meinen Erlebnissen mit W. Erzählt. Ich hatte einen aufmerksamen Zuhörer. Es stellte sich heraus, das auch er sich vor einigen Tagen von seinem Reisepartner getrennt hatte. Der Grund war einfach nur banal, er schnarchte durch sein Übergewicht, und er ließ sich Zeit, nach vielen stressigen Jahren, viel Zeit um zu genießen. Da war dem Anderen nicht angenehm. Walter ist dann nach Oslo auf die Fähre, und ich habe den Landweg genommen, der über Malmö und dem Öresund.
Das ist jetzt 3 Jahre her, und nach einigem Stöbern in meinen Unterlagen habe ich den Bericht mit diesem Titel gefunden. Ich musste ihn nur noch schreiben, was ich jetzt auch gemacht habe. Ich habe alles aus meiner Erinnerung geschrieben, sollte der Leser ein bisschen Durcheinander bemerken, das ist so, weil ich keinen Gegenleser habe. Wozu auch.