Mal guggen ob Bilbo daheim ist
Wenn mir vor Jahr und Tag Jemand geweissagt hätte, dass ich einmal fast zweitausend Kilometer diagonal durch Frankreich fahren würde, um ein Kunstmuseum in Spanien zu besuchen, hätte ich ihm wahrscheinlich einen Vogel gezeigt. Nun ist es genau so passiert. Dieser Reisekasten bringt einen auf Ideen...
Nach zwei langen Fahrtagen sind wir hoch über der Stadt auf einem Berggipfel gelandet und staunen über das Panorama.
Hinter dem Fußballstadion und dem schwarzen Hochhaus haben wir das Ziel unserer Reise schon ausgemacht.
Verbogene Dächer, ein halbfertig zerrissener Turm und ein großer roter Kinderbaustein - Kunst eben.
Am nächsten Vormittag in der Kassenschlange, ist massenhaft Zeit sich die goldige Titan-Fassade aus der Nähe anzuschauen. Das Haus ist großartig, aber jede einzelne Platte ist krumm und verbeult. Ein Spengler müsste sich schämen, so etwas abzuliefern. OK, ich verstehe nicht wirklich viel von Kunst. Wenn mir jemand Baumängel als kreatives Können anpreist, frage ich mich erst mal, ob der mich veralbern will.
Im Inneren ist fotografieren verboten. Ein gigantisches aufgeblasenes Untier baumelt von der Decke und reckt seine gewaltigen Tentakeln in die Nebenräume und Lichtschächte. Es steckt in einer Textilhaut aus unzähligen vielfarbigen Zipfeln und Bommeln, Applikationen und Ziernähten, Stickereien und Strickereien. Da hat ne alte Oma lange dran zu häkeln und ein alter Poly lange was zu schauen.
Wir sehen einen ruckeligen Schwarz-Weiß-Film, schlängeln uns durch leuchtende Laufschriftvorhänge und durch rostigen verbogenen Panzerstahl, spiegeln uns in bunten Ballonblumen bis plötzlich Bühnennebel alles einhüllt. Zu Blüten zusammengesetzte Bügeleisen erblühen zischend und dampfend zur allgemeinen Erheiterung. Verschnörkelte Riesenherzen geformt aus unzähligen verbogenen Wegwerfbestecken drehen sich langsam am Faden. (Dös hätt für mehrere Oktoberfeste gelangt.)
In einem Raum stehen mannshohe High-Heels aus Edelstahl-Kochtöpfen und eine ebenso große Karnevalsmaske aus Wandspiegeln. Gleich daneben ein vergoldeter Hubschrauber in Originalgröße mit einem dicken Pelz aus lila Straußenfedern. Sieht flugfähig aus. Man müsste ihn vermutlich nur häuten und auftanken. Nebenan eine riesige schwarze Pistole aus alten Telefonen die lustige Melodien klingeln. Von der Decke hängt etwas, das man für einen Kronenleuchter halten könnte, bis man entdeckt, dass hier zigtausende Tampons zusammengeknüpft wurden. (Meine Güte, das reicht hundert Jahre für ein ganzes Mädchenpensionat.)
Die zweite Etage ist gesperrt. Es wird umgebaut. Ganz oben in der Dritten endlich Bilder mit bekannten Namen und bei jedem Zweiten das Gefühl, es schon mal gesehen zu haben. Der Audioguide flüstert mir Infos ins Ohr. Da hat ein Maler sein Model mit Farbe überschüttet und auf der Leinwand herumgewälzt. (Die größte Kunst bestand wahrscheinlich darin, sie dazu zu überreden und hinterher wieder sauber zu kriegen.) Egal, auch dieses Bild ist ein Augenschmaus.
Außen um das Gebäude herum gibts ebenfalls viel zu sehen. Ein Turm aus gewaltigen Christbaumkugeln, ein haushoher Blumenhund, eine schwangere Riesenspinne, ein Rad aus Alufelgen mit einer Krone aus Whiskygläsern, und leicht zu übersehen, die lebensgroße Skulptur eines Politikers, der von dem Kunsttempel flüchtet. Draußen darf man auch wieder knipsen.
Ach ja, zum Stellplatz hab ich noch nichts gesagt. Man sieht ihn unten von der Stadt aus.
Die gelbe "Festung" dahinter ist ein Wasserbehälter. Es gibt eine Buslinie, die für Einsdreißig pro Nase bis runter in die Altstadt fährt und - viel wichtiger - natürlich auch die fast zweihundert Höhenmeter wieder rauf. Die Busfahrt ist ein Abenteuer für sich. In einigen Steilkurven gehts enger zu als auf der Trollstiegen.
Der Platz ist in Terrassen angelegt und in der vorderen Reihe hat man diese tolle Aussicht. Man wird plaziert, wobei die Dame am Empfang offensichtlich gleiche Nationen zueinander stellt. Für jede Parzelle gibts einen Stromanschluss und einen eigenen Wasserhahn an Säulen aus gelbem Naturstein.
In der Ausfahrt der oberen Terrasse liegt die Entsorgungszone mit zwei Kassettentrichtern und zwei Spülwassersäulen ebenfalls aus diesem gelben Stein gemauert. Viel benutzt und selten trocken. Große schwarze Schimmelflecke konkurrieren mit dem leuchtenden Gelb. Ich staune über die dicken Wasserschläuche.
Auf der gegenüber liegenden Seite das Gleiche nochmal. Macht theoretisch vier Möglichkeiten. Naja nicht ganz. Der letzte Trichter gegenüber ist verstopft und mit Flatterband zugebunden. Dass der Papierkorb überläuft, ist der Faulheit der Wohnmobilisten geschuldet. Es gibt genug Müllkästen auf dem Platz. Man hätte halt nur ein paar Schritte gehen müssen.
Als wir abfahren wollen, stehen gerade zwei riesige Glamping-Schrankwände in der V/E und blockieren alles. Erstmalig bekommen wir vorgeführt, wie so ein Hundertliter-Fäkaltank geleert wird. Der Hausherr zur Linken hat es leider nicht genau über den Bodeneinlauf geschafft. Ein armdicker brauner Strahl fällt aus einem halben Meter Höhe auf den Beton und zersprüht in viele lustige braune Tröpfchen, die sich nun selbst ihren Weg zum Trichter suchen müssen. Unterwegs haben sie viel Zeit entsprechenden Duft zu entfalten.
Dem Herrn scheint das aber doch peinlich zu sein. Er greift sich einen der beiden Spülschläuche und verdünnt, was da über den Boden kriecht. Das ist aber kein fingerdünner Gartenschlauch fürs Kräuterbeet, sondern eher das Kaliber Jugendfeuerwehr und der Wasserstrahl so dick wie ein Schaufelstiel. Das dauert seine Zeit bis hundert Liter Dickflüssiges ausgelaufen sind und die ganze Zeit plätschert eine größere Menge gutes Trinkwasser hinterher. Damit könnte man einen mittleren Waldbrand löschen.
Natürlich muss so ein Monstertank auch ausgespült werden. Irgendwo hab ich gelesen, dass bei den großen Boliden gewöhnlich das Grauwasser zur Spülung des Fäkaltanks verwendet wird. Das läuft bei ihm aber ungenutzt weiter vorne aus einem eigenen Rohr ab. Zum Spülen füllt er den Tank erneut mit dem Wasser aus dem Schlauch. Dauert entsprechend und es dürften wieder gut hundert Liter dahin gehen. Wie war das noch mal mit der Trinkwasserknappheit in Spanien? OK, wahrscheinlich braucht er die Prozedur nur selten zu machen und kann seine gärende Gülle monatelang spazieren fahren, bis es wieder pressiert.
J+J
(PS: Exemplarisches Beispiel. Bitte keine offene Nennung von Stellplatznamen o. Ä.)